Volle Kraft mit allen Vieren

20 Jahre Audi quattro

Photos des 20 Jahre Treffens

Manchmal kommen die besten Ideen in den unmöglichsten Augenblicken. So dürfte das Herumgekurve mit einem Geländewagen im tiefsten finnischen Winter allgemein nicht zu den innovationsträchtigen Szenarien gehören - und doch war eine solche Situation die Geburtsstunde für einen Meilenstein der Automobilgeschichte. Wenige Jahre später stand er dann im Rampenlicht - der Audi quattro.

Laut Legende war es einer jener eisigen Tage im Jahr 1976, die für Testfahrer zum Berufsalltag gehören: Neue Audi-Modelle sollten unter arktischen Bedingungen in Finnland ihr Können zeigen. Weil immer etwas schief gehen kann, hatten die Audi-Tester neben ihren Versuchsmobilen auch einen Volkswagen-Geländewagen vom Typ Iltis dabei. Während man neue Limousinen testete, fiel Audi-Mann Jörg Bensinger auf, dass das spartanische Service-Mobil bei schlechten Wetterbedingungen den übrigen Fahrzeugen haushoch überlegen war.

Nun mag dies auf Anhieb nicht überraschend erscheinen. Doch wie so oft führte eine Kette von Umständen zur Umsetzung einer neuen Idee. Schließlich gab es bei Audi einen Entwicklungschef, der es sich zum Ziel gesetzt hatte, der Marke den «Vorsprung durch Technik» zu sichern: der heutige Volkswagen-Chef Ferdinand Piech.

Nach seiner Rückkehr schilderte Bensinger Piech die Testeindrücke - die Idee für einen Allrad-Prototypen war geboren. Im Januar 1978 kam es zur ersten Bewährungsprobe. Die Entwickler trafen sich mit den Konzernherrn an der Turracher Höhe, dem steilsten Pass Europas. Unter härtesten Winterbedingungen überzeugte der Prototyp, bewältigte mit Sommerreifen und ohne Schneeketten problemlos die Steigung.

Die endgültigen Weihen erhielt das schon merklich fortgeschrittene Projekt im September 1979: Der finnische Rallye-Profi Hannu Mikkola unternahm eine Probefahrt im nun Audi quattro genannten Auto. Er erklärt sich bereit, mit so einem Auto bei einer Rallye anzutreten.

Vorher jedoch musste man sich um die Präsentation der Zivilversion kümmern. Sie fand 1980 auf dem Automobilsalon in Genf statt. Was dort zu sehen war, wirkte auf den ersten Blick bekannt. Das später Urquattro genannte Auto basierte auf dem kantigen Audi Coupé. Um die Spitzenposition im Programm zu dokumentieren, erhielt der quattro verbreiterte Kotflügel und einen tiefer gezogenen Frontspoiler.

Als Antrieb kam ein Fünfzylinder-Motor zum Einsatz. Mit 2 144 Kubikzentimetern Hubraum, Turbolader und Ladeluftkühlung leistete das Aggregat 200 PS. So stemmte sich der Allradler in nur 7,1 Sekunden auf Tempo 100, erst bei rund 220 Stundenkilometern war Schluss.

Das eigentlich Wichtige waren aber die Vorteile der vier angetriebenen Räder. Wenn vier statt nur zwei Räder die Kraft auf den Boden bringen, hat dies Vorteile bei glatter oder verschmutzter Fahrbahn, Kurven werden stabiler und schneller umrundet, weil die Antriebskraft besser verteilt ist. Einerseits entstand so der gute Ruf des ersten in Großserie gebauten Sportwagens mit Allradantrieb, anderseits sollte sich zeigen, dass auch ein quattro die Naturgesetze nicht überlisten kann.

Zunächst freute sich mancher quattro-Lenker über die gewonnenen Möglichkeiten. Wer jedoch glaubte, sie immer weiter ausreizen zu müssen, machte irgendwann die schmerzliche Erfahrung, dass selbst beste Kurveneigenschaften einmal in einem Abflug enden können. Mit echten Könnern hinterm Lenkrad konnte Audi jedoch unter Beweis stellen, wie überlegen das quattro-Prinzip ist. Auf den Rallyestrecken fuhren die Ingolstädter in den folgenden Jahren die Konkurrenz in Grund und Boden, heimsten Fahrer- und Markentitel ein.

1983 setzte Audis Sportabteilung der Urquattro-Geschichte dann das Glanzlicht auf: den Sport quattro. Der um 30 Zentimeter verkürzte Extremsportler war als Basis künftiger Rallyemobile gedacht. Um die Wendigkeit zu verbessern, wurde der Radstand um glatte 30 Zentimeter verkürzt. Der Motor leistete 306 PS und beschleunigte in 4,9 Sekunden auf Tempo 100. Nur 214 der Autos wurden bis 1984 gebaut - zum Stückpreis von 195 000 Mark.

Schon der Urquattro ging nicht gerade als Sonderangebot durch. Während es das herkömmliche Audi-Coupé ab 19 000 Mark gab, kostete der quattro 1980 stolze 49 900 Mark, 1984 waren es bereits 75 920 Mark. All das hinderte quattro-Fans nicht, Kaufverträge zu unterzeichnen. Obwohl anfangs nur 400 Autos geplant waren, wurde der Urquattro zum am längsten gebauten Auto der Audi-Geschichte.

Im Juli 1989 wurde dem quattro noch eine Vierventil-Maschine mit 220 PS spendiert. Neuerliche Preiserhöhungen führten dann doch zu einem Erkalten der quattro-Liebe - 96 200 Mark waren viel Geld für ein optisch schon etwas angegrautes Auto. Am 17. Mai 1991 war endgültig Schluss - nach immerhin 11 452 Mal Exemplare.


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